Landschaftsfotos entwickeln mit Rawtherapee 5.9 - LinuxCommunity (2024)

Die aktuelle Rawtherapee-Version bringt neben anderen ersehnten Funktionen endlich selektive Bildbearbeitung mit und macht so dem Platzhirschen Darktable Konkurrenz.

Beim Entwickeln von Landschaftsaufnahmen tritt häufig das Problem auf, dass einzelne, vor allem sehr helle oder zu dunkle Bildbereiche einen Farbstich aufweisen oder ihre Farbe zu intensiv oder zu blass wirkt. Verändern Sie Kontrast oder Sättigung, verstärkt sich das Phänomen oft eher noch. Dementsprechend sind für Landschaftsfotografen gute Maskierungs- und Auswahlfunktionen unerlässlich.

Sowohl kostenlose als auch kommerzielle RAW-Entwickler bieten inzwischen umfangreiche Werkzeuge zur selektiven Bildbearbeitung. Unter den Open-Source-Programmen verfügte bisher nur Darktable über solche Funktionen. Diese grundsätzlich hervorragende Software birgt jedoch für manche Nutzer Nachteile: Sie ist etwas gewöhnungsbedürftig zu bedienen, und man muss sich erst einmal gründlich einarbeiten, um gute Ergebnisse zu erzielen. Außerdem läuft Darktable nur mit einer schnellen Grafikkarte wirklich flüssig.

Seit der im November2022 nach mehrjähriger Entwicklungszeit erfolgten Freigabe von Rawtherapee5.9 modifizieren Sie auch mit diesem Programm bestimmte Bildbereiche intuitiv und effektiv[1]. Der erfahrene Entwickler Jaques Desmis ließ sich beim Programmieren der Funktion von der genialen Auswahltechnologie der beliebten Nik-Plugins inspirieren. Erfreulich dabei: Das Programm ist ein ähnlich mächtiger RAW-Entwickler wie Darktable[2], vermeidet aber dessen oben genannte Nachteile[3].

Hinter Rawtherapee steckt anders als bei den meisten ähnlichen Programmen tatsächlich lediglich ein RAW-Entwickler. Er besitzt kein richtiges Verwaltungsmodul, sondern lediglich eine Art Datei-Browser beziehungsweise Bildbetrachter. Starten Sie die Anwendung und navigieren darin zum Verzeichnis, in dem die Fotos liegen. Ein Doppelklick auf eine Miniatur öffnet das Foto im Editor, also dem Bearbeitungsmodul. Dort befinden sich rechts die Bearbeitungswerkzeuge.

Beispieldateien

Damit Sie die einzelnen Bearbeitungsschritte unseres Beispiels besser nachvollziehen können, stellen wir Ihnen die Beispielfotos im Download-Bereich zu diesem Artikel zur Verfügung. Bestimmte Begriffe wie Entrastern oder Farbinterpolation erklären wir allerdings nicht, da sie schon in einem früheren Artikel[4] besprochen wurden. Auch ihn finden Sie als PDF im Download-Bereich.

Vorarbeit

Zunächst sollten Sie einige Standardeinstellungen anpassen. Klicken Sie auf die entsprechende Schaltfläche, dann erhalten Sie ein eigenes Fenster mit mehreren Registerkarten. Zunächst einmal kümmern Sie sich um zwei Optionen: die Farbe der Bedienoberfläche und das Farbmanagement beziehungsweise das automatische Erkennen des Bildschirmprofils. Die Standardbedienoberfläche des Programms ist zu dunkel, um die Intensität der Farben und die Bildhelligkeit annähernd korrekt einstellen zu können. Eine hellere Farbe definieren Sie relativ weit unten unter Allgemein| Oberflächendesign. Hier empfiehlt sich das Design TooWaGrey — Average Surround, da es einem neutralen Grau recht nahekommt.

Stellen Sie das Programm anschließend so ein, dass es Ihr Bildschirmprofil automatisch erkennt und verwendet. Dazu müssen Sie vorher in den Farbeinstellungen des Betriebssystems ein Profil installieren: Klicken Sie in den Rawtherapee-Einstellungen auf Farbmanagement, setzen Sie in der Gruppe Monitor einen Haken bei Automatisch das für den aktuellen Monitor festgelegte Profil verwenden, und starten Sie die Software neu.

In der Standardkonfiguration aktiviert das Tool bei Rohdateien eine ausgeklügelte, quasi minimalinvasive automatische Bildoptimierung. Um das Maximum aus einem Foto herauszuholen, genügt es daher in vielen Fällen, nur wenige Regler zu verändern. Sobald Sie ein RAW öffnen, wendet Rawtherapee automatisch drei Bearbeitungsschritte auf das Bild an. Die Auto-Tonwertkurve im Modul Belichtung spielt dabei die Hauptrolle. Das Programm erstellt die Kurve, indem es das eigentliche RAW mit dem in die Datei eingebetteten JPEG vergleicht. Es versucht also, die mittlerweile oft gute kamerainterne Bildoptimierung nachzuahmen.

Außerdem aktiviert die Anwendung die Eingangsschärfung (Reiter Raw, ganz am Ende). Die hocheffiziente Schärfungsmethode findet im Gegensatz zur konventionellen Schärfung nicht am Ende der Bearbeitung statt, sondern ganz am Anfang direkt nach dem Entrastern des Bilds im linearen RGB-Farbraum. Außerdem schaltet das Tool die automatische Korrektur von chromatischen Aberrationen ein.

Aufhellen und abdunkeln

Unser Beispielfoto zeigt eine Berglandschaft bei der Gemeinde Lunz am See im niederösterreichischen Mostviertel. Viele Landschaftsaufnahmen müssen Sie zuerst mehr oder weniger aufhellen. Die Kamera unterbelichtet sie standardmäßig, damit die Struktur in den hellsten Bildbereichen möglichst gut erhalten bleibt (Abbildung1).

Abbildung 1: Ohne automatische Bildoptimierung erscheint das Original stark unterbelichtet und kontrastarm, damit die Strukturen in den hellsten Bereichen erhalten bleiben.

Schieben Sie daher den Regler Belichtungskorrektur im Modul Belichtung ein wenig nach rechts. Nach mehreren Versuchen erwies sich im Test der Wert0.8 als optimal. Daraufhin dunkeln Sie den Himmel mithilfe des Grauverlaufsfilters ab. Das Werkzeug macht den oberen Bildbereich dunkler, wobei es einen sanften Übergang von hell nach dunkel einfügt. Sie aktivieren den Filter über den Einschaltknopf in der Titelleiste des Moduls. Setzen Sie die Intensität des Effekts auf etwa1.5. Mittels der unteren Regler passen Sie bei Bedarf weitere Eigenschaften des Filters wie Position und Größe an.

Kontrast und Sättigung

Erhöhen Sie danach die Sättigung und den lokalen Kontrast. Bewegen Sie den Regler Sättigung unter Belichtung nach rechts ungefähr auf den Wert67 und schalten Sie unter Lokaler Kontrast die Details ein. Dahinter verbirgt sich ein Effekt, der sich irgendwo zwischen Schärfen und (globaler) Kontrasterhöhung befindet. Verstärken Sie ihn, erhöht das im Allgemeinen die Klarheit des Bilds.

Intern arbeitet der Filter mithilfe einer weichgezeichneten Maske – daher der Regler Radius, der die Stärke der Weichzeichnung bestimmt. Skalieren Sie diesen Wert nach oben, nimmt der Kontrast zu. Reduzieren Sie ihn, wirkt sich das auf die feineren Details aus, und das Bild erscheint schärfer. Vernünftige Werte für diesen Regler rangieren in der Regel zwischen100 und150.

Die Intensität gibt vor, wie stark der Kontrast steigt. Zusätzlich bestimmen Sie über Dunkle Bereiche und Helle Bereiche, ob der Effekt in den jeweiligen Bereichen stärker oder schwächer ausfallen soll als in anderen Zonen. Grundsätzlich sollten Sie mit diesem Effekt vorsichtig umgehen: Wählen Sie zu hohe Werte, sieht das Bild zu hart aus. Hier sorgen Sie mit einem höheren Wert wie0.75 für die Intensität.

Achten Sie außerdem auf sogenannte Halos – unnatürlich wirkende zu helle oder zu dunkle Bereiche, die sich oft in der Nähe sogenannter Kontrastkanten befinden. Ein Halo sehen Sie etwa bei den Wolken in unserem Beispielbild: Sie grenzen in der linken Bildhälfte direkt an den Bergrücken. Sie müssen daher die Intensität für helle Bereiche herabsetzen, indem Sie den entsprechenden Regler auf den Wert0.5 einstellen.

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